Forschende auf der ganzen Welt suchen nach neuen Ansätzen zur Miniaturisierung von Röntgenlasern (X-FEL) auf Grundlage von „Freien-Elektronen-Lasern“ (FEL). Sie sollen die Technik für die Anwendung billiger und leichter zugänglich machen und darüber hinaus noch neue Einsatzbereiche ermöglichen. „Diese Aussichten haben geradezu einen Wettlauf in Richtung ultrakompakter X-FELs ausgelöst“, so Prof. Dr. Bernhard Hidding.
Nun hat ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Prof. Hidding – der kürzlich an die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ans Institut für Laser- und Plasmaphysik berufen wurde – einen Durchbruch erzielt. Die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass ein sogenannter Plasma-Wakefield-Beschleuniger (PWFA) für einen kompakten X-FEL ein sehr vielversprechender Ansatz ist.
Der vorgeschlagene Aufbau nutzt eine fortschrittliche Methode zur Injektion der Elektronen in den eigentlichen Beschleuniger, eine so genannten Plasma-Photokathode. Diese Photokathode kann Eleketronen mit geringer Impulsverteilung erzeugen, welche sich zu „eiskalten“ Elektronenstrahlen bündeln. Diese Elektronenstrahlen sind 100.000 Mal heller als in den modernsten Injektoren.
Das Beschleunigungsfeld von einigen Dutzend oder Hunderten von Gigavolt pro Meter in einem PWFA ermöglicht einen Beschleuniger von wenigen Zentimetern Größe – im Vergleich zu herkömmlichen Beschleunigern, die mehrere Kilometer messen können.
Die Studie befasst sich auch mit der Frage, wie die ultrahellen Elektronenstrahlen aus der Plasma-Photokathode PWFA extrahiert, transportiert, isoliert und in den „Undulator“ des X-FEL ohne Ladungs- und Qualitätsverluste eingespeist werden können.
Im Undulator erzeugt der fokussierte Elektronenstrahl leistungsstarke kohärente Photonenpulse im Wellenlängenbereich von Ångström (10-10 m) mit einer Pulsdauer im Attosekundenbereich (10-18 s). Das gesamte System ist nur wenige Dutzend Meter lang, verglichen mit den sehr langen aktuellen X-FEL-Maschinen. Die Wissenschaftler glauben, dass die in der Studie erreichten Meilensteine das Tor zur nächsten Generation ultrakompakter X-FELs sein können.
Fahim Habib, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of Strathclyde in Glasgow, sagt: „Die Aussichten auf einen ultrakompakten X-FEL sind vielversprechend. Unsere Ergebnisse sind wichtige erste Meilensteine, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns, um den Ansatz experimentell umzusetzen."
Prof. Hidding ergänzt: „Erste experimentelle Beweise für die Plasma-Photokathoden-Injektion in PWFA wurden am SLAC-Laboratium in Stanford in den USA erbracht, während der E-210-Kampagne am ‚SLAC FACET-I‘. Das nun beginnende erweiterte Programm E-31X am ‚SLAC FACET-II‘ zielt darauf ab, den nächsten Sprung in der Qualität und Stabilität des Elektronenstrahls zu machen."
Parallel zu den Arbeiten in den USA läuft ein europäisches Plasmabeschleunigerprogramm. An der HHU beginnt das Team von Prof. Hidding mit der programmatischen Entwicklung der hybriden Plasma-Wakefield-Beschleunigung, bei der der Elektronenstrahl, der die Plasma-Photokathode antreibt, aus einem kompakten lasergetriebene Plasma-Wakefield-Beschleuniger stammt. Dafür wird das Düsseldorfer Hochleistungslasersystem ARCTURUS genutzt.
Die Vision der Forschenden ist, dass diese Plattform den Weg zu ultrakompakten, ultrahellen X-FELs im universitären Labormaßstab eröffnet. Fahim Habib: „Ein solches System könnte als grundlegende Leuchtturm-Infrastruktur an der HHU für den Einsatz in den Natur-, Material- und Biowissenschaften und für die Industrie genutzt werden. So könnte in Zukunft die X-FEL-Technologie einer wesentlich größeren Zahl an Forschenden zeitnah zur Verfügung gestellt werden.“
Prof. Hidding betont: „Wir sind in der glücklichen Lage, dass uns die HHU ermöglicht, systematisch auf dieses große Ziel hinzuarbeiten und das Beste aus beiden Welten zu kombinieren: die lasergesteuerte Elektronenstrahlproduktion und die Plasma-Photokathoden. Die Fähigkeit, gleichzeitig und synchronisiert 100.000-mal hellere Elektronenstrahlen zu erzeugen, könnte einen transformativen Einfluss auf die Photonenforschung und sogar auf bisher unmögliche Experimente in der Grundlagenphysik haben." Fahim Habib ergänzt: „Disruptive Innovationen sind die treibenden Kräfte in der Forschung und Industrie. Es ist zu erwarten, dass ultrakompakte X-FELs eine Menge an neuen Anwendungen hervorbringen.“
Hintergrund: Freie-Elektronen-Laser
Freie-Elektronen-Röntgenlaser (kurz FEL) wandeln die Bewegungsenergie eines hochenergetischen Elektronenstrahls in leistungsstarke Photonenimpulse um. Es ist mit ihnen möglich, Strahlung vom Mikrowellenbereich bis zu harten Röntgenwellenlängen zu erzeugen. So kann auch ein Röntgenlaser (kurz X-FEL) gebaut werden. Solche Röntgenlaser werden unter anderem eingesetzt, um extreme Materiebedingungen für die Erforschung heißer, dichter Materie zu schaffen, die Eigenschaften von Materialien für die nächste Generation von Mikrochips zu untersuchen, die Struktur komplexer Biomoleküle für die Entwicklung neuer Medikamente zu entschlüsseln und viele andere Anwendungen mehr.
Das Herzstück eines jeden FEL ist ein Strahl relativistischer Elektronen, die also so schnell – nahe an der Lichtgeschwindigkeit – sind, dass Effekte der Relativitätstheorie deutlich zum Tragen kommen. Der Strahl wird in einem sogenannten Undulator mittels eines wechselnden Magnetfelds auf eine sinusförmige Bahn gebracht. Als Ergebnis dieser „Wackelbewegung“ sendet der Elektronenstrahl Photonenstöße aus. Ein positiver Rückkopplungseffekt strukturiert den Elektronenstrahl in Mikrobündel mit der Dimension der Wellenlänge der Strahlung.
Infolgedessen wächst die Strahlungsleistung entlang des Undulators exponentiell an und wird sehr kohärent – wie bei einem Laserstrahl im optischen Wellenlängenbereich. Dieser selbstorganisierende Effekt kann nur auftreten, wenn der Elektronenstrahl bei relativistischen Energien von hoher Qualität ist. Um diese strengen Anforderungen an die Qualität des Elektronenstrahls zu erfüllen, sind heutige X-FELs kilometerlange, fein abgestimmte Maschinen. Auch deshalb gibt es weltweit nur eine Handvoll solcher Anlagen, zu Preisen von jeweils rund einer Milliarde Euro.
Originalpublikation
A.F. Habib et al. Attosecond-Angstrom free-electron-laser towards the cold beam limit. Nature Communications 14, 1054 (2023).