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Biases im Wissenschafts- und Bildungsbetrieb

Verzerrte Wahrnehmung durch Stereotypen

Bias ist das englische Wort für Befangenheit, Vorurteil oder Voreingenommenheit und bezeichnet auch die subjektive Verzerrung der Wahrnehmung, Erinnerung und Meinungsbildung. Biases betreffen zunächst alle Menschen, denn Denken, Wahrnehmung und Erinnerung werden grundsätzlich durch bestimmte vorgefertigte Grundannahmen beeinflusst.

In diesem Sinne helfen Biases, die alltägliche Flut an Informationen zu strukturieren und Wahrnehmungs-, Erinnerungs- und Denkprozesse effektiver zu machen. Sie helfen dabei, Alltagsentscheidungen zu fällen, Routinen zu entwickeln und unterstützen einen reibungslosen Alltagsablauf. Sie führen aber eben auch zu Fehlschlüssen und verzerrter Wahrnehmung. Besonders in Belastungssituationen, bei Stress, Angst oder unter Zeitdruck bedient sich das Gehirn dieser stereotypen Funktionsweise, denn gerade dann müssen kognitive Prozesse schnell, effektiv und sparsam ablaufen. Auch routinierte Handlungsabläufe des alltäglichen Lebens begünstigen Biases, die dann nur abgespult werden und keine besondere Eigenleistung des Gehirns erfordern.

Diese automatischen Rückgriffe auf vorhandene Stereotype, Vorurteile oder Erfahrungswerte können besonders innerhalb der Interaktion mit anderen Menschen hinderlich sein und dazu verleiten, Situationen nicht objektiv wahrzunehmen und zu bewerten. Vor allem im Wissenschafts- und Bildungsbetrieb sollte dies vermieden werden, da es Prüfungs- oder Bewertungssituationen ebenso verzerrt wie den zwischenmenschlichen Umgang miteinander oder das Verhalten gegenüber Minderheiten oder anderen sozialen Gruppen.

 

Die häufigsten Biases im Wissenschaftsbetrieb

Kognitive Biases, also kognitive Verzerrungen, sind systematisch fehlerhafte Neigungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Urteilen durch geschlechtsbezogene Verzerrungseffekte. Die wissenschaftliche Leistung wird abhängig von geschlechtsbezogenen Stereotypen unterschiedlich bewertet. Dazu gehören gegenüber Frauen im Wissenschaftsbetrieb u. A. das Hinterfragen der Eigenständigkeit/Eigenleistung, Einbringen informeller Informationen, Bewertung anhand der aktuellen Stelle/Institution statt der Qualifikation/Leistung.

Implizit Biases, also implizierte Stereotypen, definieren Voreingenommenheit bzw. die unbewusste Zuschreibung bestimmter Merkmale an eine Person. Implizite Stereotypen sind durch Erfahrung geprägt und basieren auf erlernten Assoziationen zwischen bestimmten Eigenschaften und sozialen Kategorien. Frauen werden folglich oftmals als weniger fähig eingeschätzt, eine wissenschaftliche Karriere zu verfolgen. Hieraus resultieren vielfach weitere stereotype Charakteristika, die mit Erfolg verknüpft werden, wie beispielsweise eine tiefe, laute Stimme, die mit Durchsetzungsvermögen assoziiert wird etc.

Interviewer Bias zeigt, dass Ergebnisse von mündlichen Befragungen durch die Interviewer*innen beeinflusst oder verzerrt werden. Dies kann unbewusst (durch Auftreten, Sprechweise und Aufzeichnungsverhalten) oder bewusst (durch Frageformulierung wie Suggestivfragen, Hinweise zur Beantwortung etc.) geschehen. Darüber hinaus beeinflusst eine Vielzahl von Faktoren das Verhalten aller Beteiligten (Alter, akademische Position, Geschlecht, Persönlichkeitsmerkmale etc.) und erschwert Neutralität.

Confirmation Bias funktioniert über selektive Wahrnehmung, die Informationen filtert, dass die eigenen Erwartungen erfüllt werden. Menschen nehmen Informationen leichter auf, wenn sie in ihr vorgefertigtes Weltbild passen. Gegenteilige oder widersprüchliche Informationen und Fakten werden oft ausgeblendet oder negativ bewertet.

Authority Bias bezeichnet die Tendenz, dass manche Aussagen besonders stark wiegen, sofern sie von einer Autorität stammen. Dabei wird Meinungen von Autoritäten, also beispielsweise Expert*innen oder Vorgesetzten, ein großes Maß an Genauigkeit beigemessen, sodass diese Meinungen die eigene beeinflussen.

Availability Bias wird mit Verfügbarkeitsheuristik übersetzt und bezeichnet die Fehleinschätzung von Risiken und Chancen durch eigene Erfahrungen. Es tritt meist auf, wenn Sachverhalte beurteilt werden sollen, zu denen keine präzisen und vollständigen Informationen oder Daten bereitstehen. Da diese nicht existieren, wird auf eigene Erfahrungswerte oder Kenntnisse zurückgegriffen, die jedoch keinesfalls objektiv oder repräsentativ sind und oft nicht zum aktuellen Sachverhalt passen.

Ingroup Bias die Neigung, Mitglieder einer Gruppe gegenüber vermeintlichen Außenseiter*innen zu bevorzugen. Mitglieder aus eigenen Gruppen werden dabei am sympathischsten wahrgenommen. Personen, die augenscheinlich keiner Gruppe angehören, werden dabei als Einzelgänger*innen, weniger sozial und unsympathisch wahrgenommen.

Projection Bias bezeichnet die Projektion eigener Ansichten auf andere Personen. Unterbewusst gehen die meisten Menschen davon aus, dass ihre Meinungen und Einstellungen mit denen der Mehrheit identisch sind. Gegenteilige Meinungen werden so grundsätzlich als marginal wahrgenommen und oft übergangen.

Weitere häufige Verzerrungseffekte

Dem Halo- oder Horn-Effekt zur Folge wird von bekannten Eigenschaften auf unbekannte geschlossen. Wer positive/negative Eigenschaft A hat, muss auch positive/negative Eigenschaft B haben. So werden kommunikative und extrovertierte Personen oft als leistungsstärker eingeschätzt als introvertierte, zurückhaltende Menschen. Der erste Eindruck definiert dabei die Bewerbung und überschattet die Situation.

Homosoziale Kooptation bezeichnet die Tatsache, dass sich Menschen am liebsten mit Gleichgesinnten umgeben. Wahrnehmung und Bewertung Anderer orientiert sich nicht nur an fachlichen Kriterien, sondern an sozialer Ähnlichkeit und Gemeinsamkeiten, die zumeist auf den ersten Blick auffallen. Menschen, mit denen Gemeinsamkeiten vorliegen, erscheinen sympathischer.

Kontrasteffekt bezeichnet ein Phänomen, das in Bewertungssituationen auftritt: Person B wird mit ‚durchschnittlich gut‘ bewertet, jedoch unmittelbar nach Person A, die mit ‚exzellent‘ evaluiert wird. Durch den direkten Vergleich wird B in diesem Fall schlechter evaluiert als ‚durchschnittlich gut‘.

Fokussierte Aufmerksamkeit tritt insbesondere bei Stress und im Zusammenhang mit Biases auf. Es werden nur noch bestimmte Merkmale der Kandidat*innen wahrgenommen, etwa, wenn Kandidat*in einer Erwartung/einem Rollenbild/Stereotyp nicht entsprechen.

Bei Framing geht es um den Rahmen, in dem eine Information verpackt wird. Werden positive Eigenschaften oder Fakten hervorgehoben, reagieren Menschen anders, als beim Betonen von negativen Aspekten. Framing meint also das Vorgeben einer bestimmten Perspektive, die andere Personen beim Rezipieren der Information übernehmen.

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