Die physikalischen Eigenschaften der Materie sind grundlegend für die biologischen Abläufe. Jeder biologische Prozess wird zunächst durch die Physik der Atome und Materie in den Zellen bestimmt. Philip Kollmannsberger will das komplexe Wechselspiel zwischen der Physik und dem zellulären Verhalten quantitativ verstehen. So geht es ihm unter anderem um die durch Zellen induzierten mechanischen Kräfte und Verformungen in Gewebemodellen und Biopolymer-Netzwerken.
Neben dem Mikroskop nutzt er dazu Computersimulationen und KI-basierte Methoden für die Bildanalyse. Mithilfe von Mustererkennungsverfahren werden so quantitative Einblicke in die Dynamik biologischer Systeme möglich. Seine Arbeitsgruppe kombiniert beispielsweise die topologische Datenanalyse mit Deep Learning, um Makromoleküle, zelluläre Netzwerke wie Neuronen und Knochenzellen sowie biologische Materialien zu charakterisieren.
Prof. Kollmannsberger: „Indem wir die zellulären Interaktionen in Gewebemodellen und Biomaterialien verstehen lernen, schlagen wir eine Brücke von der Grundlagenforschung zur medizinischen Anwendung. So können etwa die Reaktion patienteneigener Zellen oder Zellnetzwerke auf bestimmte Wirkstoffe, Materialien oder mechanische Kräfte in einer realistischen Gewebeumgebung untersucht werden. Dies ist beispielsweise für die Neurowissenschaften und die kardiovaskuläre Forschung relevant.“ In Kombination mit KI-basierter Datenanalyse kann man daraus neue Konzepte für Diagnose- und Therapieverfahren entwickeln und langfristig die Lücke zwischen Zellkultur und Tiermodell schließen
Im Fachbereich Physik der HHU wird Kollmannsberger vor allem im Bereich der Medizinischen Physik arbeiten und dort die KI-basierte Bild- und Datenanalyse in der Lehre vermitteln, mit Aspekten wie „open science“ und dem Umgang mit „big data“ sowie durch Etablierung reproduzierbarer Methoden der Mikroskopie.
Zur Person
Philip Kollmannsberger (geboren 1978 in Erlangen) studierte Physik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (Diplom 2004), wo er auch im Jahr 2009 am Lehrstuhl für Biophysik promovierte. Während seiner Promotionszeit unternahm er zwei Forschungsaufenthalte am Scripps Research Institute in La Jolla in den USA. Im Anschluss arbeitete er als Postdoktorand zunächst am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und dann an der ETH Zürich. Von 2016 bis 2022 war er Juniorprofessor an der Universität Würzburg, ab dem 1. Oktober ist er W2-Professor für Biomedizinische Physik an der HHU.
Prof. Kollmannsberger forscht zur Biophysik lebender Materie in Kombination mit KI-gestützter High-End-Mikroskopie. Er will so die physikalischen Mechanismen bei der Selbstorganisation biologischer Gewebe während Wachstum und Regeneration verstehen und Ansätze finden, um diese kontrollieren zu können. Er veröffentlichte rund 45 wissenschaftliche Paper, darunter in Zeitschriften wie Science Advances, Biophysical Journal, Soft Matter, New Journal of Physics und Angewandte Chemie.
Unter anderem ist er am bundesweiten DFG-Schwerprogramm „Physics of Parasitism“ beteiligt, an dem er auch an der HHU weiter mitarbeiten wird. Für seine Forschungsarbeiten wurde Kollmannsberger unter anderem mit einem Marie-Curie-Fellowship (2013-2015) ausgezeichnet.