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Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Zwei Ernennungen für Experimentalphysikprofessuren an der HHU

Heute ernannte Prof. Dr. Anja Steinbeck, Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU), Dr. Bernhard Hidding zum W3-Professor für „Experimentelle Starkfeld-Laserphysik“ und Dr. Sebastijan Brezinsek zum W2-Professor für „Experimentelle Plasma-Materie-Wechselwirkung“ (nach Jülicher Modell); Prof. Brezinsek ist am Forschungszentrum Jülich (FZJ) tätig und wird an der HHU lehren.

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Ernennungen am 14. Dezember 2022: Dr. Bernhard Hidding (l.) wurde zum W3-Professor für „Experimentelle Starkfeld-Laserphysik“ ernannt, Dr. Sebastijan Brezinsek (r.) zum W2-Professor für „Experimentelle Plasma-Materie-Wechselwirkung“. (Fotos: Daniel Oi (l.); FZJ / Ralf-Uwe Limbach (r.))

Prof. Dr. Bernhard Hidding

Hochleistungs-Laserpulse erzeugen in ihrem Fokus elektrische Feldstärken, die Atome mühelos in Elektronen-Ionen-Plasma zerlegen können. Besonders leistungsstarke Systeme können sogar kollektive Plasmawellen antreiben, die sich im sogenannten Kielfeld (engl. Wakefield) des treibenden Laserpulses durchs Plasma fortbewegen.

In diesen Plasmawellen lassen sich Teilchenstrahlen 1000-fach rasanter auf hohe Energien beschleunigen als mit herkömmlichen, oft kilometerlangen Beschleunigern. Umgekehrt können diese „Plasma-Kielwellen-Beschleuniger“ (Plasma Wakefield Accelerators) 1000-fach kompakter gebaut werden als herkömmliche Beschleuniger.

Ein zentraler Forschungsschwerpunkt von Prof. Hidding ist, das Plasma mit Hilfe so genannter Photokathoden zugleich zu nutzen, um Elektronenstrahlen ungeahnter Qualität zu produzieren. Insbesondere soll die Intensität der Elektronenstrahlen um den Faktor 10.000 gegenüber selbst den besten heute verfügbaren herkömmlichen Beschleunigern gesteigert werden. Solch ultrahelle Elektronenpulse wiederum sind ideale Treiber für Röntgenquellen, zum Beispiel über das Prinzip des „Freie-Elektronen-Lasers“.

Hidding: „Auf dem Weg zu kompakten Plasmabeschleunigern, 10.000-fach intensiveren Elektronenstrahlen und Röntgenlasern haben wir bereits an verschiedenen weltweit führenden Laboren Meilensteine zu verschiedenen Aspekten erreichen können. Diese kollaborativen Experimente unter anderem am Beschleuniger-Testzentrum SLAC FACET-II in Stanford sowie in einem Europäischen Konsortium zu hybrider Plasmabeschleunigung werden mit Hochdruck fortgeführt. Zugleich ist es aber an der Zeit, die verschiedenen Forschungsstränge an einem Ort gezielt zusammenzuführen und weiterzuentwickeln. Die Heinrich-Heine-Universität als Pionier der Laser-Plasma-Wechselwirkung ist mit Hochleistungslasersystemen, Laboren und dem gesamten Umfeld ideal geeignet, um die Vision neuartiger, ultraheller Elektronen- und Photonenpulse auf Laser-Plasma-Basis zu realisieren und für Anwendung in Natur-, Material- und Lebenswissenschaften auszunutzen.“

Bernhard Hidding (geboren 1975 in Remscheid) studierte an der HHU und in München Physik (Diplom 2004) und promovierte 2008 in Düsseldorf mit der Arbeit „En route: Laser-Plasmabeschleuniger der nächsten Generation auf Laser-Plasma-Basis“. Es folgten Postdoc-Positionen u.a. an der HHU und der University of California in Los Angeles (UCLA) sowie – in Kooperation mit der European Space Agency – eine Geschäftsführertätigkeit in einem Startup. Von 2012 bis 2013 war er Juniorprofessor an der Universität Hamburg und seit 2013 Full Professor of Physics an der University of Strathclyde im schottischen Glasgow. Dort hatte Hidding diverse Positionen inne, etwa innerhalb der Scottish Universities Physics Alliance, des Scottish Centre for the Applications of Plasma-based Accelerators, des UK Cockcroft Institute und des UK Plasma Wakefield Accelerator Steering Committee. Auch war er Director of the Strathclyde Centre for Doctoral Training for Plasma-based Particle and Light Sources. Zum 1. Januar 2023 wurde er zum W3-Professor an der Wissenschaftlichen Einrichtung Physik der HHU berufen.

Prof. Hiddings Forschungsschwerpunkte sind die Wechselwirkung von intensiven Laser- und Elektronenstrahlen mit unter- und überdichter Materie, die Erzeugung intensiver Elektronenstrahlen aus Plasma-Wakefield-Beschleunigern sowie sekundäre Teilchen- und Photonenstrahlungsquellen.

Bei seinen Stationen in Deutschland, US, UK und auf europäischer Ebene erhielt er Forschungsmittel von DFG, BMBF, ESA, DOE, STFC sowie EPSRC und über das europäische Forschungsinfrastrukturproject EuPRAXIA, das nun als große Europäische Forschungsstruktur realisiert werden soll. Seine Forschungen wurden unter anderem über das Emmy-Noether-Programm der DFG (2012 bis 2016) und mit einem ERC Consolidator Grant des europäischen Forschungsrats (seit 2020) zum Thema „NeXource: Next-generation Plasma-based Electron Beam Sources for High-brightness Photon Science“ gefördert.

Hidding veröffentlichte mehr als 100 wissenschaftliche Artikel, viele davon als Erst- oder Korrespondenzautor, darunter in Fachzeitschriften wie Nature Physics und Nature Communications, Physical Review X und Physical Review Letters. Er hat überdies sieben Patente in Europa und in den USA, teilweise mit Industriebeteiligung.

Prof. Dr. Sebastijan Brezinsek

Zukünftig soll mithilfe der Kernfusion Strom zur Energieversorgung erzeugt werden. In speziellen Reaktoren werden dann Prozesse nachgeahmt, die auch im Zentrum der Sonne und aller Sterne ablaufen: Dort verschmelzen Wasserstoffisotope zu Helium, wobei große Energiemengen frei werden. Der heute am meisten verfolgte Ansatz für die kontrollierte Kernfusion ist der sogenannte magnetische Einschluss in Plasmareaktoren. In ihnen werden Hochenergieplasmen mit sehr hohen Temperaturen von mehreren zehn Millionen Grad in magnetischen Käfigen gefangen, in denen die Fusionsprozesse stattfinden können. Beispiele für entsprechende Großexperimente sind das europäische Projekt JET im englischen Culham und Wendelstein 7-X am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald. In Frankreich entsteht aktuell mit ITER das erste Fusionsexperiment, das mehr Fusionsleistung erzeugen soll als Leistung zum Betrieb eingebracht wird.

Ein zentraler Aspekt bei Fusionsexperimenten sind die Wechselwirkungen von hochenergetischen Teilchen, die das extrem heiße Plasma verlassen, mit den Wandmaterialien des Reaktorgefäßes. Diese Reaktionen stehen im Fokus von Prof. Brezinseks Forschung. Es geht ihm vor allem darum, wie Energie und Teilchen gezielt während des Betriebs aus den Plasmen extrahiert werden können, ohne damit die Wandmaterialien zu beschädigen oder zu modifizieren.

Brezinsek: „Solche Aspekte müssen sowohl in einer hochenergetischen Umgebung untersucht werden. Mit meinem Team am Forschungszentrum Jülich entwickele ich hierzu lasergestützte Plasma- und Oberflächendiagnoseverfahren für Wendelstein 7-X und ITER, welche lokal an linearen Plasmaanlagen qualifiziert werden. Dazu gehören aber auch Modellsimulationen, mit denen wir die Situation in der sehr herausfordernden Umgebung eines Plasmareaktors vorab am Computer nachstellen können.“

Zukünftig wird Prof. Brezinsek in seinem Labor in Jülich sich auf die Plasma-Materie-Wechselwirkung in den vorliegenden Niedertemperaturplasmen, dessen Diagnose mit laserbasierenden Methoden sowie dessen Simulation in toroidalen Anlagen wie Wendelstein 7-X und ITER konzentrieren. Weiterhin betreibt er den Transfer der erworbenen Erkenntnisse bezüglich der Charakterisierung von Niedertemperaturplasmen und deren Optimierung in Richtung der medizinischen Anwendung zur Wundheilung.

Sebastijan Brezinsek (geboren 1972 in Maribor in Slowenien) studierte an der HHU Physik (Diplom 1998) und promovierte – in Verbindung mit dem FZJ – ebenfalls in Düsseldorf 2002 mit der Arbeit „Untersuchung von atomarem und molekularem Wasserstoff vor einer Graphitoberfläche in einem Hochtemperatur-Randschichtplasma“. Seit 2003 arbeitet er an verschiedenen Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft mit dem Schwerpunkt Fusionsforschung und Plasmaphysik, außerdem ist er im europäischen Fusionsforschungsprogramm tätig. Zwischen 2009 und 2014 forschte er mehrere Jahre in Culham und war mitverantwortlich für das wissenschaftliche Programm am europäischen Großexperiment JET mit ITER-ähnlicher Wand. Aktuell leitet er ein Projekt zur Plasma-Wand-Wechselwirkung bei Fusionsexperimenten am FZJ, ist mitverantwortlich für das Projekt Plasma-Wand-Wechselwirkung und Leistungsabfuhr im EUROfusion-Konsortium und koordiniert ein Teilprojekt zum gleichen Thema am Wendelstein 7X. Zum 1. Januar wurde er zum W2-Professor an der Wissenschaftlichen Einrichtung Physik der HHU berufen.

Sein Forschungsschwerpunkt sind die Plasma-Material-Wechselwirkungen im Randschichtbereich von hochenergetischen Fusionsplasmen und er entwickelt unter anderem die dazu notwendigen Diagnostikverfahren. In mehr als 45 Publikationen als Erst- und über 450 als Koautor veröffentlichte er seine Ergebnisse, so unter anderem in den Fachzeitschriften Nuclear Fusion, Physical Review Letters und Journal of Nuclear Materials. Für seine Forschungen wurde er u.a. mit dem IAEA Nuclear Fusion-Preis 2016 ausgezeichnet.

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