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Biologie: Zwei Veröffentlichungen in Nature Structural & Molecular Biology
Faszinierende Einblicke ins Reparatursystem der Zelle

Wie sich die Zellmembran vor Schäden schützt und sich erneuert, ist für viele Prozesse des Lebens entscheidend, aber im Detail noch nicht vollständig verstanden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz gewannen nun mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie neue Einblicke, von denen sie in zwei Beiträgen in der Fachzeitschrift Nature Structural & Molecular Biology berichten.

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Die Kryo-Elektronenmikroskopie zeigt verschiedene Vipp1-Strukturen: teppichartige Strukturen („Carpets“), Ringkomplexe („Stacked Ring Assembly“) und Röhren („Type I / Type II Tubes“). (Abbildung: Carsten Sachse und Benedikt Junglas)

Die Zellmembran hat zahlreiche wichtige Aufgaben: Sie schützt das Zellinnere vor der Umgebung, durch die Zellmembran werden gleichzeitig Nährstoffe aufgenommen, Abfallprodukte ausgeschieden und Signale zwischen Zellen weitergeleitet. Diese Membran ist äußerst flexibel und empfindlich. Sie besteht aus einer dünnen Schicht von Lipiden, die anfällig für Belastungen durch physikalischen Druck und Dehnung oder auch chemische Einflüsse sind. Auch Umweltfaktoren wie ultraviolette Strahlung oder Giftstoffe können die Membran schädigen. In Pflanzenzellen kann beispielsweise intensives Licht die Membranen in den Chloroplasten – in denen die Photosynthese stattfindet – stark belasten und sogar verletzen.

Die Zellmembran muss sich deshalb vor Schäden schützen oder diese reparieren beziehungsweise sich erneuern können. Die Forschenden fanden nun heraus, dass das Membranprotein Vipp1, welches im Photosyntheseapparat von Pflanzen, Algen und Bakterien vorkommt, verschiedene Strukturen ausbildet, die als Werkzeuge dienen können, um die Zellmembran zu stabilisieren und bei Bedarf zu verstärken. In einer zweiten Studie erlangten die Forschenden zudem neue Erkenntnisse über die Funktion des verwandten Proteins PspA, das in Bakterien zu finden ist.

Proteine wie Vipp1 sind essenziell für das Überleben der Zelle, da sie die Membranstrukturen schützen und bei Bedarf reparieren. Vipp1 und PspA, sind ungewöhnlich plastisch. Sie können unterschiedliche Strukturen annehmen und so Ringe und Röhren mit unterschiedlichen Durchmessern erzeugen.

Wie genau der Mechanismus funktioniert, konnten die Forschenden mit den hochmodernen Kryo-Elektronenmikroskopen am Jülicher Ernst Ruska-Centrum ermitteln. Sie gewannen damit neue Einblicke in die Interaktion zwischen Vipp1 und der Zellmembran und entdeckten, dass Vipp1 teppichartige Strukturen auf der Zellmembran ausbildet und sie damit stabilisieren. Darüber hinaus fanden sie Ringkomplexe und Röhren aus Vipp1 gefüllt mit Membran, die möglicherweise beschädigte Membranbereiche „abschnüren“ oder aber auch zwei getrennte Membranen miteinander verbinden können.

Dr. Benedikt Junglas, Erstautor beider Veröffentlichungen und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Strukturbiologie des Forschungszentrums Jülich: „Die beiden Publikationen bringen neue Erkenntnisse zur Fähigkeit der Proteine Vipp1 und PspA, Zellmembranen zu verändern und so lebenswichtige Prozesse in den Zellen zu schützen. Unsere Entdeckungen können möglicherweise in Zukunft zur Entwicklung neuer biotechnologischer Anwendungen beitragen, wie etwa bei der Herstellung von Biomaterialien oder der Optimierung der Photosynthese in Pflanzen.“

Korrespondenzautor Prof. Dr. Carsten Sachse, Direktor am Ernst-Ruska-Centrum und Biologieprofessor an der HHU, ergänzt: „Vipp1 ist dabei besonders wichtig, da es an der Bildung und Instandhaltung der sogenannten Thylakoidmembranen beteiligt ist – das sind Membranen in den Chloroplasten von Pflanzenzellen, an denen die Lichtreaktion der Photosynthese stattfindet.“ Der grundlegende Mechanismus weist hohe Ähnlichkeit zu den ESCRT-III Proteinen auf, die auch in menschlichen Zellen hochkonserviert sind. „Daher kann ein besseres Verständnis der Struktur und Funktion dieser Proteine zur Entwicklung neuer Medikamente, wie beispielsweise Antibiotika, führen, die auf die Prozesse in zellulären Membranen abzielen“, so Sachse.

Originalpublikationen

Benedikt Junglas, David Kartte, Mirka Kutzner, Nadja Hellmann, Ilona Ritter, Dirk Schneider, Carsten Sachse. Structural basis for Vipp1 membrane binding: From loose coats and carpets to ring and rod assemblies. Nat Struct Mol Biol (2024)

DOI: 10.1038/s41594-024-01399-z

Benedikt Junglas, Esther Hudina, Philipp Schönnenbeck, Ilona Ritter, Anja Heddier, Beatrix Santiago-Schübel, Pitter F. Huesgen, Dirk Schneider & Carsten Sachse. Structural plasticity of bacterial ESCRT-III protein PspA in higher-order assemblies. Nat Struct Mol Biol (2024)

DOI: 10.1038/s41594-024-01359-7

Kategorie/n: Schlagzeilen, Pressemeldungen, Math.-Nat.-Fak.-Aktuell, Forschung News