Das von der Europäischen Union ausgerufene „Human Brain Project“ erstellt unter anderem einen hochdetaillierten und frei zugänglichen Atlas des menschlichen Gehirns. Um dies zu erreichen, werden am FZJ ultradünne Gehirnschnitte erstellt und mit höchster Auflösung digitalisiert. Aus der gewonnenen riesigen Menge an Bilddaten soll dann ein dreidimensionales digitales Hirnmodell berechnet werden, das detaillierte Informationen zur Verteilung der Nervenzellen und ihren Verbindungen enthält.
Um diese 3D-Modelle zu erstellen, müssen immense Datenmengen verwaltet und miteinander verknüpft werden. Hierfür neue und effiziente Methoden zu entwickeln, ist einer der Forschungsschwerpunkte des neuen HHU-Informatikprofessors Dr. Timo Dickscheid an der Schnittstelle der Bereiche Computer Vision, Big Data Analytics und Neuroinformatik.
Er untersucht Methoden, um Informationen aus mikroskopischen Bildern zu extrahieren und daraus 3D-Modelle auf der Ebene einzelner Zellen und Nervenstränge zu konstruieren. Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) wie das sogenannte Deep-Learning helfen bei der zwei- und dreidimensionalen Bildanalyse. Diese Systeme müssen mit geringen Mengen an Trainingsbeispielen angelernt, schließlich aber auf riesige Datenströme in der Größenordnung mehrerer Terabytes pro Tag aus der Hochdurchsatz-Bildgebung angewendet werden.
Prof. Dickscheid betont auch die Bedeutung des Datenhandlings bei seinem Vorhaben: „Um solche Datenmengen zu bewältigen, befasse ich mich auch mit dem Lebenszyklus der Daten ‚vom Labor bis ins Web‘. Dies beinhaltet das „verteilte“ Datenmanagement – vom Labor über Hochleistungsrechner zu öffentlichen Webservern –, Analyse-Workflows auf den Jülicher Supercomputern und den Zugriff auf große 3D-Bilddaten über das Internet. Nur wenn man mitbedenkt, wie die für den Hirnatlas notwendigen Datenmengen gehandhabt und die Ergebnisse den Nutzern zur Verfügung gestellt werden können, sind sie auch für die Forschung und Anwendung nutzbar.“
Zur Person
Timo Dickscheid (geboren 1975 in Koblenz) machte zunächst eine Ausbildung als Datenverarbeitungskaufmann und Softwarearchitekt bei der Debeka VaG, bevor er in Koblenz ein Informatikstudium mit Schwerpunkt Computervisualistik (Diplom 2006) aufnahm. Er wechselte anschließend an die Universität Bonn, wo er 2011 mit einer Arbeit zur 3D-Rekonstruktion von Gebäuden aus Kamerabildern promovierte. Als Postdoc arbeitete er zunächst am FZJ, bevor er 2012 als Referatsleiter an die Bundesanstalt für Gewässerkunde nach Koblenz ging. 2014 kehrte er ans FZJ zurück, wo er bis heute die Arbeitsgruppe „Big Data Analytics“ am Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) leitet, die seit 2020 auch eine von sieben Forschungsgruppen des deutschlandweiten KI-Netzwerks „Helmholtz AI“ der Helmholtz Gemeinschaft stellt. Seit dem 15. Januar 2022 ist er W2-Professor am Institut für Informatik der HHU nach dem Jülicher Modell.
Prof. Dickscheid forscht im Bereich der automatisierten Bildanalyse vor allem im Bereich der Hirnforschung. Dazu entwickelt und nutzt er auch Methoden der Künstlichen Intelligenz, um Gehirnmodelle aus mikroskopischen Bildern zu erzeugen. Er veröffentlichte über 30 wissenschaftliche Paper, darunter in Zeitschriften wie Science, Neuroimage und dem International Journal of Computer Vision, oder bei hochrangigen Konferenzen wie MICCAI und ICCV.
Für seine Forschungsarbeiten war Dickscheid an der Einwerbung zahlreicher umfangreicher Förderprojekte beteiligt, so im Rahmen des europäischen „Human Brain Projects“, einem „Helmholtz International Lab“ mit der McGill Universität in Montréal / Kanada, und des DFG-Schwerpunktprogramms „Computational Connectomics“.