Theorie und Simulationen von chemischen Prozessen werden immer wichtiger, um chemische Fragestellungen zu untersuchen. Mit den gewonnenen Modellen können Prozessführungen verbessert werden. Sie können auch auf andere, ähnliche Reaktionen übertragen werden, so dass zum Beispiel reale Experimente mit gefährlichen oder umweltkritischen Stoffen vermieden werden können.
Jun.-Prof. Dr. Jan Meisner und seine neu an der HHU entstehende Arbeitsgruppe wird moderne Simulationsmethoden der Chemie verwenden und weiterentwickeln. Sie werden sich auf die automatisierte Berechnung von komplexen chemischen Systemen und die Erzeugung von Reaktionsnetzwerken konzentrieren. Dazu Prof. Meisner: „Eine komplexe chemische Reaktion besteht aus einer langen Folge an Einzelreaktionen, die teilweise so schnell ablaufen, dass sie im Labor kaum vermessen werden können. Hier helfen Simulationen, um die einzelnen Schritte zu verstehen.“
Ein Werkzeug ist die sogenannte Molekulardynamiksimulation. Mit ihr können die einzelnen Knoten (chemische Spezies) und deren Verbindungen (Reaktionen) in einem chemischen Reaktionsnetzwerk entschlüsselt werden, um damit letztlich den zeitlichen Verlauf einer Reaktion besser zu verstehen. Kennt man ein Reaktionsnetzwerk, kann man dessen Parameter in weitere Simulationen füttern, so dass die Netzwerke nach und nach immer größer werden. Prof. Meisner: „Wir wollen auch Methoden des maschinellen Lernens einsetzen, um Reaktionsnetzwerke noch effizienter zu entschlüsseln.“
In seinen bisherigen Arbeiten in Stanford wandte Meisner diese Methoden erfolgreich auf kleinere molekulare Systeme an. Sie ist aber so mächtig, dass mit ihr eine große Bandbreite chemischer Reaktionen untersuchen lässt.
Ein zukünftiges Anwendungsfeld an der HHU wird die homogene Katalyse sein, deren zahlreiche Nebenreaktionen und Inhibierungsmechanismen nicht oder nur spärlich bekannt sind. Auch können Fragestellungen der Bio-, Umwelt- oder Atmosphärenchemie mithilfe von Netzwerkanalysen untersucht werden, wie etwa der Zerfall von bioabbaubaren Polymeren oder die Wirkung und Abbaubarkeit von Treibhausgasen.
Zur Person
Jan Meisner (geboren 1988 in Waiblingen) studierte Chemie an der Universität Stuttgart (Masterabschluss 2013). Dort promovierte er auch im Jahr 2017 mit Auszeichnung im Bereich Theoretische Chemie mit Arbeiten über den quantenmechanischen Tunneleffekt und die Wasserentstehung im interstellaren Medium.
Bereits während seiner Promotionszeit forschte er zeitweise in Groningen in den Niederlanden und in London. Als Postdoc arbeitete er nach seiner Promotion zunächst in Stuttgart und dann – gefördert mit einem DFG-Forschungsstipendium – an der Stanford University and Stanford Linear Accelerator Center in Kalifornien in den USA. Am 1. April 2021 tritt er die Juniorprofessur für „Theorie und Simulation komplexer Systeme“ an der HHU an der Wissenschaftlichen Einrichtung Chemie an.
Prof. Meisner konnte bereits verschiedene Forschungspreise für seine Arbeit erringen. Unter anderem erhielt er 2020 den Wilhelm-Ostwald-Preis der Deutschen Chemischen Gesellschaft für herausragende interdisziplinäre Promotionsarbeiten. Seine Publikationsliste weist 27 Veröffentlichungen auf, allein elfmal als Erstautor.