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Physikalische Chemie: Veröffentlichung in Nature Methods
Biomoleküle: Optisches Nanometermaß auf dem Prüfstand

Im Zuge einer internationalen Vergleichsstudie haben Forschende unter Beteiligung von Prof. Dr. Claus Seidel und Dr. Anders Barth von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HH) ein Verfahren zur optischen Untersuchung dynamischer Proteinstrukturen erfolgreich getestet und validiert. Die Ergebnisse, die zum Verständnis grundlegender Prozesse des Lebens beitragen können, wurden nun im Fachmagazin Nature Methods veröffentlicht.

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Visualisierung der Vermessung von Proteinen mit der FRET-Methode. (Abbildung: LMU / Simon Wanninger und HHU / Milana Popara, Christian Hanke und Anders Barth)

Proteine sind die Grundbausteine des Lebens. Jedes Tier, jede Pflanze und jeder Mikroorganismus ist daraus zusammengesetzt. Lebewesen funktionieren nur aufgrund zahlloser komplexer Prozesse, die durch das Zusammenspiel verschiedener Proteine gesteuert werden. Entsprechend wichtig und von großem wissenschaftlichen Interesse ist es, diese Multitalente der Biochemie besser zu verstehen.

Das Problem dabei ist allerdings, dass Proteine winzig klein sind und dass es komplexer Verfahren bedarf, um sie zu vermessen. Forschende bedienen sich eines ganzen Werkzeugkoffers verschiedener Untersuchungsmethoden, um ein genaueres Bild davon zu erhalten, wie Proteine aussehen, sich verhalten und wie sie funktionieren.

Ein Team um Prof. Dr. Thorben Cordes und Prof. Dr. Don C. Lamb von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Prof. Dr. Claus Seidel und Dr. Anders Barth vom HHU-Institut für Physikalische Chemie hat nun in einer groß angelegten Vergleichsstudie, an der 19 Labore aus aller Welt beteiligt waren, eine Methode zur optischen Vermessung von Biomolekülen auf ihre Genauigkeit und Vergleichbarkeit geprüft. Die Arbeiten an der HHU fanden unter anderem im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB 1208 „Identität und Dynamik von Membransystemen – von Molekülen bis zu zellulären Funktionen“ statt.

Wie vermisst man bewegliche Proteinstrukturen?

Die FRET-Analyse von einzelnen Molekülen ist besonders dafür geeignet. Sie nutzt den sogenannten Förster-Resonanzenergietransfer (FRET), bei dem Energie eines angeregten Farbstoffs strahlungsfrei auf einen zweiten abstandsabhängig übertragen und die Fluoreszenz beider Farbstoffe registriert wird. Für dieses optische Maßband werden synthetische Farbmoleküle in die zu untersuchenden Biomoleküle eingebracht, um so sehr kleine Abstände im Nanometerbereich (ein Nanometer entspricht einem Milliardstel Meter) gezielt zu vermessen.

Für die Messung von Abständen zwischen verschiedenen Molekülen funktioniert das bereits recht gut. Auch die Struktur von starren DNA-Strängen lässt sich schon verlässlich untersuchen. Im Vergleich zu DNA ist die Sache bei Proteinen jedoch um einiges schwieriger, denn Proteine sind vielfältiger und vor allem beweglicher.

Trotzdem gelang es dem Forschungsteam, das Verfahren nun auch für bewegliche Proteine erfolgreich so zu etablieren, dass sich mit der Methode reproduzierbare und genaue Ergebnisse erzielen lassen. So konnten die Studienautoren nicht nur winzige Abstände innerhalb der Eiweißkomplexe feststellen, sondern auch strukturelle Unterschiede beobachten, wenn die Proteine ihre Form veränderten.

Solche Strukturveränderungen konnten die beteiligten Labore auf weniger als einen Nanometer genau bestimmen, auf Zeitskalen von weniger als einer Millisekunde. Diese erstaunliche Präzision zeigt, dass auch dynamische Proteinsysteme mittels FRET reproduzierbar aufgelöst werden können.

„Bisher waren viele Kollegen und Kolleginnen in der Strukturbiologie skeptisch, ob die Analyse von Proteinen mittels FRET überhaupt zu reproduzierbaren Ergebnissen führen kann und auch, wie die Ergebnisse zu interpretieren sind, wenn sich die Proteine bewegen.“, sagen die Autoren. „Diese Zweifel konnten wir nun ausräumen und die Genauigkeit der Methode demonstrieren. Gleichzeitig zeigen wir damit auch die Auflösungsgrenze, d.h. wie winzig und schnell Proteinbewegungen sein können, sodass wir sie mit FRET noch beobachten und quantifizieren können.“

Damit ist der Werkzeugkasten der Strukturbiologie um ein weiteres, vielseitiges und zuverlässiges Instrument reicher geworden, meinen die Autoren. Sie hoffen, dass die so generierten Daten auch die Aussagekraft KI-basierter Vorhersagen verbessern und somit die Aufmerksamkeit für und das Verständnis von dynamischen Prozessen bei Proteinen weiter vorantreiben.

Originalpublikation

Agam, G., Gebhardt, C., Popara, M., ... , Barth, A., Seidel, C. A. M., Lamb, D. C. and Cordes, T., Reliability and accuracy of single-molecule FRET studies for characterization of structural dynamics and distances in proteins. Nat Methods (2023).

DOI: 10.1038/s41592-023-01807-0

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Kategorie/n: Schlagzeilen, Pressemeldungen, Chemie Aktuelles, SFB 1208, Math.-Nat.-Fak.-Aktuell, Forschung News
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