Textilien bilden einen festen Bestandteil des alltäglichen Lebens. Der Anbau von Rohstoffen wie Baumwolle, Leinen und Hanf ist fester Teil der Textilindustrie, ebenso wie heutzutage die Herstellung synthetischer Fasern wie Nylon und Polyester. Insbesondere angesichts des zunehmenden Konsums von Fast-Fashion-Produkten steht die Textilindustrie jedoch vor zahlreichen ökologischen Herausforderungen: Sowohl bei natürlichen als auch bei synthetischen Fasern benötigen die nachgelagerten Verarbeitungsschritte schädliche Chemikalien wie Bleichmittel, Farbstoffe und Weichmacher.
„Die Herstellung synthetischer Textilfasern erfolgt auf Basis fossiler, nicht-erneuerbarer Ressourcen wie Erdgas oder -öl. Sowohl bei der Produktion als auch der Entsorgung fallen Treibhausgase und Mikroplastik an“, erklärt Teammitglied Sofie Rüffer.
Zudem verbraucht der landwirtschaftliche Anbau von Textilrohstoffen noch verfügbare, ökologisch relevante Flächen und konkurriert mit dem Nahrungsmittelanbau. Darüber hinaus werden enorme Mengen begrenzter Wasserressourcen verbraucht, auch gelangen chemische Pestizide in die Böden und Gewässer. „Die Textilproduktion belastet also das gesamte Ökosystem“, so Rüffer.
Hier setzt das iGEM-Team2024 der HHU mit ihrem Projekt „KlothY“ an. Sie wollen den Herausforderungen der Textilindustrie mit der Entwicklung umweltverträglicher Produktionsverfahren begegnen. Der Name KlothY spielt an auf das Bakterium Komagataeibacter xylinus (kurz K. xylinus) sowie auf die beiden englischen Begriffe „Cloth“ (für das Textilgewebe) und „Yeast“ für die Hefe S. cerevisiae, den zweiten verwendeten Organismus.
Für die strukturelle Basis des Textilgewebes nutzen die jungen Forschenden die natürliche Fähigkeit des Bakteriums K. xylinus, reine bakterielle Cellulose (BC) zu produzieren – ein sogenanntes Glucosepolymer, welches mit über 90 Prozent auch in Baumwolle vorkommt. Das BC wird modifiziert durch zwei weitere Stoffe: Hemicellulose (HC) und Chromoproteine; durch sie werden die Eigenschaften der Cellulose regulierbar, so dass KlothY für vielfältige Anwendungen angepasst werden kann.
„Wir möchten mit KlothY nicht nur eine weitere nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Textilien bieten, sondern auch einen Ausblick auf die Textilien der Zukunft geben. Unser Projektziel ist, dass K. xylinus eine Art Leinwand in Form einer reinen Cellulosematte produziert, die unseren Ausgangsstoff für Kleidung bildet“, erläutert Teammitglied Noah Ben Bulawa. „Und dann kommt die Ko-Kultur ins Spiel: S. cerevisiae verleiht unserem Stoff die so wichtige Struktur und Farbe. Die Hefe synthetisiert verzweigte Fasern aus HC, sodass die darauf wachsenden BC-Stränge miteinander quervernetzt werden.“ Außerdem trägt sie ein zuvor transformiertes bakterielles Plasmid – also der DNA-Ring, in dem Bakterien unter anderem ihre genetische Information speichern –, welches Gene für drei farberzeugende Chromoproteine enthält.
Auf diese Weise „wächst“ ein Textilstoff entsprechend spezifischer Anforderungen – wie Stabilität, Elastizität, Farbe und Wasserbeständigkeit – direkt in der Petrischale heran. Das resultierende Produkt bedarf keiner weiteren Verarbeitungsschritte der klassischen Textilveredelung, zu denen das Entkernen, Spinnen, Weben, Bleichen und Färben gehören.
„Selbst Textilien aus biologischem Anbau müssen veredelt werden, was nicht nur enorme Mengen Wasser verbraucht, sondern auch Farbstoffe und Chemikalien freisetzen kann. Ebenso ist die Logistik – von der Produktion im Ausland bis in die Läden – mit hohen CO2-Emissionen verbunden“, beschreibt Teammitglied Bianca Eickhorst den Hintergrund des diesjährigen Projekts. „Mit KlothY werden wir weniger abhängig von spezifischen Anbauorten, wodurch weite Transportwege vermieden werden können. Wir haben uns für ein Projekt entschieden, das eine nachhaltigere Textilproduktion auf vielfältige Weise angeht.”
Team KlothY
Das Team setzt sich aus 18 Mitgliedern unterschiedlicher Semester und Studienschwerpunkte zusammen: Neben angehenden Biologinnen und Biologen sind auch Studierende aus der Biochemie und der Quantitativen Biologie vertreten. Unterstützt werden sie von zwölf erfahrenen Mitgliedern der vorherigen iGEM-Teams, die als sogenannte Advisors fungieren. Mit ihnen erörtern die Studierenden in wöchentlichen Meetings ihre Fortschritte und Entwürfe für Strategien in der Projektplanung. Des Weiteren wird das Team in sämtlichen fachlichen Fragen durch „Principal Investigators (PIs)“ betreut: Prof. Dr. Guido Grossmann vom Institut für Zell- und Interaktionsbiologie, Prof. Dr. Markus Pauly vom Institut für pflanzliche Zellbiologie und Biotechnologie, Prof. Dr. Michael Feldbrügge vom Institut für Mikrobiologie, Prof. Dr. Matias Zurbriggen vom Institut für Synthetische Biologie und Dr. St. Elmo Wilken vom Institut für Quantitative und Theoretische Biologie.
iGEM-Wettbewerb
Vor über 20 Jahren startete iGEM (die Abkürzung steht für „international Genetically Engineered Machine“) am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA. Seitdem fördert der internationale Wettbewerb den interdisziplinären Austausch zwischen Teams aus dutzenden Ländern und bietet jungen Forschenden eine innovative Plattform, um die Möglichkeiten der synthetischen Biologie miteinander weiterzuentwickeln. Als Folge hat sich iGEM im Laufe der Jahre zu einer globalen Bewegung entwickelt, die jährlich ungefähr 400 Teams aus aller Welt versammelt. Über die Forschungsschwerpunkte hinaus fördert der iGEM-Wettbewerb zudem vielfältige Projekterfahrungen. Teams der HHU sind seit 2016 dabei, 2024 zum neunten Mal.
„Die Möglichkeit als junge Studierende in dieser Form selbstständig und unabhängig ein Projekt zu planen und auch wirklich durchzuführen ist einmalig und ein großes Privileg. Nicht nur der iGEM-Wettbewerb, sondern vor allem all die Menschen, die dies an der Universität ermöglichen und uns unterstützen, schaffen großartige Möglichkeiten, um echte Erfahrungen zu sammeln“, berichtet Robin Schüren, einer der studentischen Leiter des Projekts.
Im kommenden halben Jahr wird das iGEM-Team der HHU die Arbeiten im Labor fortführen, um Ende Oktober 2024 sein Projekt auf der Grand Jamboree genannten Abschlussveranstaltung in Paris vor den Juroren und anderen Teams zu präsentieren.