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Drei Projekte in der theoretischen Physik
Auf dem Weg zum praktisch anwendbaren Quantencomputer

Quantencomputer versprechen, für viele Anwendungen erheblich leistungsfähiger zu sein als herkömmliche Rechner. Juniorprofessor Martin Kliesch hat mit seiner Arbeitsgruppe Quantentechnologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) kürzlich drei neue Projekte in diesem Themenfeld gestartet. Im jüngsten Projekt MIQRO geht es um die praktische Realisierung skalierbarer Quantencomputer.

Der theoretische Physiker Jun.-Prof. Dr. Martin Kliesch im Mai 2021 Zoom

Jun.-Prof. Dr. Martin Kliesch ist an zwei Verbundforschungsprojekten zur Entwicklung von Quantencomputern beteiligt und leitet an der HHU ein von der DFG finanziertes Emmy-Noether-Projekt. (Foto: HHU / Christoph Kawan)

Quantencomputer basieren auf einer grundlegend anderen Informationsverarbeitung als herkömmliche Computer. Während ein klassischer Rechner mit Bits rechnet, die die beiden diskreten Zustände 0 und 1 annehmen können, arbeitet ein Quantencomputer mit sogenannten Qubits: Sie können Überlagerungen aus den Zuständen 0 und 1 annehmen, ähnlich wie sich Wellen überlagern können. So erlauben auf Qubits basierende Rechnungen die gleichzeitige Verfolgung verschiedener Rechenwege: Man spricht auch von „Quantenparallelität“.

Ein solcher Computer könnte Probleme lösen, die mit traditionellen Computern praktisch unlösbar sind. Dazu gehören das Knacken von Verschlüsselungscodes, Simulationen von Quantensystemen – wie sie in der Quantenchemie und Materialwissenschaft vorkommen – und potenziell sogar Optimierungsaufgaben etwa aus der Logistik oder Finanzwirtschaft. Aktuelle Quantencomputer basieren auf 30 bis 100 Qubits, die „verrauscht“ sind – das bedeutet, dass ihre Zustände Abweichungen von den gewünschten Zuständen aufweisen –, wodurch die fehlerfreie Ausführung bereits kleiner Quantenrechnungen zurzeit nur schwer möglich ist. Eine umso größere Herausforderung für Forschung und Entwicklung ist die Skalierung hin zu höheren Qubit-Zahlen bei gleichzeitig hoher Qualität der Qubits.

Das MIQRO Projekt1

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert seit dem 1. Mai 2021 mit 15,8 Millionen Euro das auf vier Jahre ausgelegte Verbundforschungsprojekt MIQRO. Hierin soll die Grundlage eines neuen Typs von Quantencomputern entwickelt werden, dessen Vergrößerung (Skalierung) bis hin zu praktischen Anwendungen besonders vielversprechend erscheint.

Die Grundeinheit des Geräts wird aus 32 Qubits bestehen, die mittels gefangener Ionen realisiert und mithilfe von Hochfrequenzfeldern gesteuert werden. Die Forscherinnen und Forscher erhoffen sich, dass solche Grundeinheiten unproblematisch zu größeren Einheiten zusammengeschaltet werden können, so dass letztlich für die Praxis taugliche Dimensionen entstehen.

Das Team um Jun.-Prof. Dr. Martin Kliesch vom Institut für Theoretische Physik übernimmt in diesem von der Universität Siegen koordinierten Projekt mit Industriebeteiligung den theoretischen Part. Es geht darum, einen Quantencomputer und seine Komponenten zu charakterisieren, also sowohl die Einzelkomponenten als auch ihr Zusammenspiel vermessen zu können. Dazu Prof. Kliesch: „Wir werden die Komponenten eines hochfrequenz-gesteuerten Ionenfallen-Quantencomputers erstmals umfassend auf logischer Ebene charakterisieren. Dies wird die Grundlage etwa für eine automatisierte Fehlerreduktion bilden. Insbesondere werden wir dafür neue mathematische Verfahren entwickeln und deren Genauigkeit und Zuverlässigkeit auch mathematisch rigoros beweisen.“

Weitere Informationen zum Projekt MIQRO: Pressemitteilung der Universität Siegen

Das Emmy-Noether-Projekt2

Das MIQRO-Vorhaben ergänzt sich hervorragend mit den Zielen des Emmy-Noether-Projekts von Martin Kliesch, das seit April 2021 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Unter dem Titel „Verifizierung und Charakterisierung von Quantentechnologie“ erarbeitet sein Team neue Konzepte und mathematische Methoden für die Charakterisierung von Quantencomputern. Während sich das MIQRO-Projekt vorwiegend mit praktischen Aspekten hinsichtlich der konkreten Implementierung beschäftigt, liegt der Fokus des Emmy-Noether-Projekts auf grundsätzlichen Fragen. Unter anderem wollen die Physikerinnen und Physiker klären, inwieweit die Verlässlichkeit eines Quantencomputers in Hinblick auf Anwendungen grundsätzlich bestimmt werden und – auch im Fall von Problemen, die klassisch praktisch unlösbar sind – wie die Richtigkeit von Quantencomputerlösungen getestet werden kann.

Das MANIQU-Projekt3

Schon im März 2021 startete das weitere Verbundprojekt MANIQU, das von der Firma Bosch geleitet wird und an dem ein weiterer Universitäts- und zwei weitere Industriepartner beteiligt sind. Das Ziel dieses Projekts ist, Quantencomputer für Rechenprobleme aus der Quantenchemie und Materialforschung nutzbar zu machen. Der Fokus liegt hier auf hybriden Quantenalgorithmen, bei denen Quanten- und konventionelle Computer zusammenarbeiten, um schwierige Optimierungsprobleme zu lösen.

In diesem Zusammenhang entwickelt Prof. Klieschs Team neue Methoden, um die Zusammenarbeit der zwei unterschiedlichen Computer effizient zu gestalten. Für hybrides Quantenrechnen ist ein sehr häufiges Auslesen des Quantencomputers notwendig, was bisher einen Flaschenhals dieses Ansatzes darstellt und hier mittels effizienter Messverfahren gezielt angegangen wird.

 

1Das Projekt MIQRO wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Förderprogramm „Quantentechnologie – von den Grundlagen zum Markt“ gefördert, Förderkennzeichen 13N15522.

2Das Emmy-Noether-Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, Projektnummer 441423094.

3Das Projekt MANIQU wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Förderprogramm „Quantentechnologie – von den Grundlagen zum Markt“ gefördert, Förderkennzeichen 13N15578.

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